Kuschel, Karl-Josef. Martin Buber – seine Herausforderung an das Christentum. Güthersloh: Güthersloher Verlagshaus: 2015. 362 S. Hardcover: 24,99 €. ISBN: 978-3-579-07086-5
Der Verfasser, Professor für Theologie der Kultur und des interreligiösen Dialogs an der Fakultät für Katholische Theologie der Universität Tübingen, stellt in diesem Werk Martin Buber als einen für das Christentum bleibend wichtigen Gesprächspartner vor.
In seinem Prolog zählt Kuschel zehn „gute Gründe“ auf, sich an den jüdischen Denker Martin Buber zu erinnern. Einer davon ist der Mensch Buber, der in kein Schema passt und der in seiner Übersetzung des Alten Testaments den Versucht gemacht hat in einer eigenwilligen Sprache das hebräische Original über das Deutsche noch hörbar zu machen. Er zwingt damit zum langsamen Lesen, zum Nach-Denken und Laut-Lesen des Bibeltextes.
In den folgenden zwölf Kapiteln zeigt Kuschel, was ein jüdischer Denker Christen über ihren Glauben an den Juden Jesus von Nazareth zu sagen hat. Buber litt natürlich unter dem rücksichtlosen Antijudaismus in der Theologie der Kirche, die selbstverständlich Israel als „Volk Gottes“ für „enterbt“ erklärt hatte. Ein Gespräch mit Christen machte für Buber dann nur Sinn, wenn es nicht um wechselseitige Bekehrung ging, „sondern ausschließlich um eine Umkehr zu Gott selbst. Der Jude soll nicht Christ und der Christ nicht Jude werden, sondern beide sollen zu Gott umkehren und daraus Konsequenzen für ihr Leben ziehen.“ (S.28)
Buber wollte sozusagen „für Jesus und gegen das Christentum kämpfen“ (S.97). Die Botschaft von Jesus wollte er ganz ernst nehmen, insoweit sie im Judentum seiner Zeit wurzelte. In seiner Sicht begann dann aber der Prozess der „ungeheuerlichen Missdeutung“ der Lehre Jesu mit Paulus. Paulus vermittelt Jesu Lehre den Völkern „und reicht ihnen das süße Gift des Glaubens, der die Werke verschmähen, den Gläubigen der Verwirklichung entheben und die Zweiheit in der Welt stabilisieren soll.“ (S. 100)
Jesus ist für Buber einerseits „der unvergleichlich Reinste, Rechtmäßigste, mit wirklicher messianischer Kraft Begabteste“, aber es befremdet ihn sehr, dass Jesus auf die Frage des Hohen Priesters, ob er der Messias, der Sohn des Hochgelobten sei, mit: „Ich bin es!“, geantwortet habe. „Meinem Glauben nach“, sagt Buber, „ist der Messias nicht in einem bestimmten Augenblick der Geschichte erschienen, sondern sein Erscheinen kann nur das Ende der Geschichte sein.“ Sehr deutlich schrieb er: „Ich glaube nicht an Jesus, aber ich glaube mit ihm.“ (S. 124) Und wieder: „Jesus habe ich von Jugend auf als meinen großen Bruder empfunden“. (S. 252) Andererseits sieht Buber in den Schriften außerhalb der synoptischen Evangelien einen Prozess der Vergottung Jesu, was er ablehnt. (S. 264)
Wer dieses Buch liest, wird viel über das Judentum und jüdisches Denken lernen. Er sollte aber nicht vergessen, dass Buber selbst die Bibel zwar geschätzt, aber ebenso historisch-kritisch verstanden hat wie die kirchlichen Theologen, mit denen er diskutierte. Buber schreibt, dass er viel von Theologen wie Rudolf Bultmann, Albert Schweizer und anderen profitiert habe. Wer das Buch von Kuschel liest, wird auch verstehen, warum führende Leute in der EKD heute so massiv Judenmission ablehnen – im Gegensatz zum Neuen Testament.
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