Wright, N.T. Paulus für uns heute. Der Römerbrief Band 1+2. Gießen: Brunnen 2014 (Band 1+2) 370 S. Paperback: 34,00 € ISBN: 978-3-7655-0619-2/0620-8
N.T. Wright, anglikanischer Bischof, nach 2010 Professor für Neues Testament und frühe Christenheit, ist wohl der bekannteste Vertreter der sogenannten Neuen Paulus-Perspektive in der evangelikalen Welt. Das wird auch in seinen Kommentaren zum Neuen Testament überaus deutlich.
Die von ihm kommentierten Abschnitte des Römerbriefs stellt er zunächst in eigen(willig)er Übersetzung dar, die im Deutschen aber nur als Übersetzung einer englischen Übersetzung wiedergegeben werden kann. So kann es passieren, dass der Begriff „Errettung“ der Bibelübersetzung im Kommentar als „Erlösung“ angesprochen wird (S. 25.28.29). Auf S. 37 formuliert Wright: „Das Ergebnis ist Gottes Entrüstung oder, wie viele Übersetzungen immer noch sagen: ‚Gottes Zorn‘.“ In seiner eigenen übersetzten Übersetzung steht aber zu Röm 1,18: „Denn der Zorn Gottes wird vom Himmel enthüllt.“ (S. 32) Das mögen Fehler des deutschen Übersetzers sein. Aber dem Leser fällt schnell auf, dass gewohnte Begriffe wie „Gerechtigkeit“ häufig mit „Bundesgerechtigkeit“ oder „Bundesmitgliedschaft“ oder gar „die gerechten Zwecke seines Bundes“ (S. 139) wiedergegeben wird. „Glauben an“ wird fast überall mit „Treue“ wiedergegeben und ist auf Jesus bezogen, „rechtfertigen“ mit „im Recht sein“. Dass die Übersetzung so verständlicher für unbedarfte Leser würde, ist zu bezweifeln. Aber in jedem Fall entspricht sie der Theologie des Autors.
Jeder Kommentar zu dem betreffenden Abschnitt beginnt mit „alltagsnahen Vergleichen“, wodurch er „nachvollziehbare Zugänge zur Gedankenwelt des Paulus“ schafft, wie der Brunnen-Verlag im Rücktitel anmerkt. Dadurch kann Wright sich auf die seiner Meinung nach zentralen Gedanken des Paulus konzentrieren und muss nicht jeden Vers auslegen. So kann er sich mit seiner Theologie voll entfalten. Denn für ihn liegt das Zentrum des Evangeliums nicht darin, einzelne Menschen zu retten, sondern die ganze Welt unter die Herrschaft von Christus zu bringen. „Der Zweck des neuen Lebens“ besteht darin, „dass Gott die Welt ins Lot bringt. Er möchte, dass seine neugeborenen Kinder an diesem Werk beteiligt sind, und er braucht sie auch dazu.“ (S. 147). Unter Rechtfertigung versteht er Gottes Deklaration, dass man in die Bundesfamilie adoptiert wurde, die mit Abraham begann (S. 91). Gerechtigkeit ist Bundesmitgliedschaft (S. 96). Unangenehm aufgefallen sind flapsige Bemerkungen über Paulus und die häufige Kritik aller anderen Bibelübersetzungen und Kommentare.
Jeder Band ist mit einem Glossar versehen, in dem wichtige Begriffe erklärt werden. Es fällt aber auf, dass gerade hier der Begriff „Gerechtigkeit“ fehlt.
Wie der Autor in anderen Schriften darlegt, hatte er seine Theologie hauptsächlich aus außerbiblischen jüdischen Schriften gewonnen. Die dadurch entstandene neue Sicht auf Paulus, die ein 2000-jähriges christliches, zumindest aber ein reformatorisches, Verständnis ersetzen soll, verfolgt der Autor nun mit aller Konsequenz in seinem Kommentar, wodurch in mancher Hinsicht ein anderes Evangelium entsteht. Deswegen kann dieser Römerbrief-Kommentar mehr Verwirrung als Segen stiften und nicht empfohlen werden.
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