Amnon, ein Davidssohn, hatte sich in seine schöne Halbschwester Tamar verknallt. Dann lockte er sie durch eine List in sein Bett und vergewaltigte sie. "Danach aber wurde Amnon wütend auf sie und fing an, sie regelrecht zu hassen. Sein Hass auf sie war größer als sein Verlangen vorher." 2Sam 13,1.15

Was ich hier mit verknallt und Verlangen wiedergegeben habe, wird in der Elberfelder Übersetzung beide Male mit "Liebe" bzw. "lieben" übersetzt. In der ältesten Übersetzung des Alten Testaments in die griechische Sprache (um 250 v.Chr.), der sogenannten Septuaginta (LXX), wird dies aber mit Agape bzw. dem Verb agapao wiedergegeben. Wie kann das nur sein?

Es ist in der Bibel so wie mit allen anderen Sprachen auch. Die eigentliche Bedeutung eines Wortes bestimmt sich immer aus seinem direkten Zusammenhang. So hat auch das Wort Welt je nach Zusammenhang die Bedeutung göttliche Schöpfung (Hebr. 4,3), an anderer Stelle, die Menschen, die in dieser Welt leben (Joh 3,16) und wieder an anderer Stelle ein System, das man nicht lieben darf (1Joh 2,15). Beide Male steht das Wort Kosmos. Interessanterweise steht in beiden Versen auch dasselbe Verb lieben (agapao). Heißt das denn, dass Gott uns verbieten will, was er selbst gemacht hat? Aber das kann offensichtlich nicht gemeint sein. Einmal ist von Gottes Liebe zu den Menschen die Rede und einmal von einer falschen Liebe der Menschen zur Welt.
Dasselbe Verb steht auch noch bei Demas, der die Welt 1 lieber hatte (2Tim 4,10), als den Apostel weiter zu unterstützen.

Allzu wörtliche Übersetzungen verfälschen manchmal den Sachverhalt, weil sie an ihr Prinzip der Wörtlichkeit gebunden sind und nicht an den Sinn der Aussage, der stets vom Kontext abhängt.

 

Wulf Bingel
Danke für diese Klarstellung.
0

1000 Buchstaben übrig