1980 erwachte in Deutschland und der Schweiz ein neues Interesse an den Genfer Ausgaben der Schlachter-Bibel. Die elektronische Erfassung des Textes ermöglichte seit 1993 eine dritte systematische Revision und sprachliche Anpassung der Bibel.
Sie ging vom Textstand von 1955 aus und hatte das Ziel, den Text von 1905 zu erhalten, ihn sprachlich zu erneuern und die Verlässlichkeit der Übersetzung zu vertiefen.
Unter der Vertiefung der Verlässlichkeit verstanden die Bearbeiter allerdings eine konsequente Rückrevision auf den textus receptus – ein einzigartiger Vorgang in der Geschichte der Bibelübersetzungen. Das bedeutet: Weit mehr als 5000 Handschriften des Neuen Testaments, die in den letzten 450 Jahren entdeckt wurden, bleiben praktisch unbeachtet. Im Vorwort zur revidierten Ausgabe der Schlachter-Bibel wird das so beschrieben:
Gleichzeitig sollte die Schlachter-Bibel den Grundtext an wichtigen Stellen genauer wiedergeben. Dieser Übersetzung liegt … im Neuen Testament der überlieferte griechische Text der Reformation zugrunde, der auch die Grundlage der alten Züricher Bibel, der alten Lutherbibel und der King-James-Bibel war.
Im Anhang wird ein Verzeichnis von 27 »wichtigen Stellen« angegeben, wo man vom Mehrheitstext abweicht. Fast die Hälfte davon bezieht sich auf die Offenbarung. Die Liste ist allerdings höchst unvollständig. Allein aus der Offenbarung könnte man 25 weitere Beispiele dieser Art nennen. Insgesamt weicht der textus receptus vom byzantinischen Mehrheitstext an mehr als 1800 Stellen ab.
Schade, dass die Bearbeiter der dritten Revision mit ihrer ansonsten guten Arbeit einen der Grundsätze Schlachters im Neuen Testament verlassen haben. Statt dessen schüren sie den dummen Streit zwischen dem griechischen Text des NT aus dem Mittelalter und dem aktuellen wissenschaftlichen Text, etwa in der Ausgabe von Nestle-Aland, indem sie an vielen Fußnoten vermerkt: "NA liest ..."
Schlachter wäre mit der Textgrundlage der Version 2000 (das gilt natürlich nur für das Neue Testament) sicher nicht einverstanden gewesen, und es ist fraglich, ob er den Herausgebern erlaubt hätte, noch seinen Namen zu benutzen.
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