Was passiert mit einem Glauben, der sich auf Wunder stützt?
Immer wieder wurde Jesus von den Juden seiner Zeit gedrängt, ein Wunder zu tun oder sie ein Zeichen sehen zu lassen, damit sie an ihn glauben könnten.[*]Mt 12,38; 16:1; Mk 8,11-12; Lk 11,16; 23,8; Joh 2,18; 4,48; 6,30; 1Kor 1,22. Warum hat er das niemals getan? Andererseits sind die Evangelien voll von seinen Wundern.
Eine Antwort könnte sein, dass Jesus nur dann Wunder getan hat, wenn er Menschen damit helfen konnte. Ein anderer Hinweis ist die völlige Übereinstimmung unseres Herrn mit dem Willen seines Vaters im Himmel. Jesus wusste, dass Gott keine Schauwunder wollte. Aber warum?
Kürzlich erhielt ich eine überraschende Antwort in der Vorbereitung einer Rundfunkandacht.
Pfarrer Jörg Grundmann aus Falkenstein/V. trug sie bei einem Seminar des ERF Medien vor. Es hängt mit dem Glauben zusammen, den die führenden Juden damals eben nicht hatten. Im Folgenden zitiere ich mit freundlicher Genehmigung aus seinem Text:
Mit dieser Einstellung begegneten die Pharisäer und Schriftgelehrten Jesus. Sie forderten ihn heraus, Zeichen zu tun, ein Wunder als Beweis, dass Jesus wirklich der Retter ist. Mehrfach haben Menschen das von Jesus verlangt. Als Jesus gefangen und gebunden zum König Herodes gebracht wird, hofft dieser, dass Jesus zu seiner Verteidigung ein Zeichen tut. Doch Jesus tut kein Zeichen, das ihm womöglich das Kreuz erspart hätte. Später sind es die Spötter unter dem Kreuz, die Jesus zurufen: „Hilf dir selbst und steig herab vom Kreuz!“ Unter dieser Bedingung wollten sie sogar an ihn glauben. Doch Jesus reagiert nicht darauf. Warum? Es wäre doch ein Beweis gewesen, dass er Gott ist: Jesus tut ein Wunder und die Menschen glauben. Warum tut Jesus keine Schauwunder auf Bestellung?
Ihm geht es um den Glauben der Menschen. Was die Bibel unter Glauben versteht, ist etwas anderes als das, was landläufig mit diesem Wort ausgedrückt wird. [… Jesus geht es] darum, dass [Menschen] ihm vertrauen und in einer vertrauensvollen Beziehung zu ihm leben.
Deshalb ist das erste und größte Zeichen kein Zeichen, das Jesus tut, sondern er selbst: Er selbst ist das Zeichen. „Und das habt zum Zeichen“, sagt der Engel in der Geburtsnacht von Jesus: „Ihr werdet finden das Kind“. Das Kind ist das Zeichen, das Wunder. Und zu den Gelehrten, die von ihm ein Zeichen fordern, sagt Jesus: „Und siehe, hier ist mehr als Jona. … Und siehe, hier ist mehr als Salomo.“ Jesus ist da! Er ist das Zeichen! Das Kind in der Krippe ist nun der Erlöser der Welt geworden.
Nun tut Jesus aber zu anderen Gelegenheiten auch Wunder. Warum bei anderen Gelegenheiten, aber nicht hier? Warum macht er Wasser zu Wein auf der Hochzeit zu Kana? Warum vermehrt er das Brot für mehr als 5000 am Ufer des Sees Genezareth? Warum heilt er den Blinden, der dasaß und bettelte? Diese Wunder tat Jesus nicht, um die Menschen nur von sich zu überzeugen! Hätte er die Wunder getan, um den Menschen alle Zweifel zu nehmen – so ginge es nicht mehr um Glauben, sondern um experimentell nachweisbares Wissen. Nein, Jesus will mehr. Er möchte nicht, dass wir nur wissen: er ist der Messias. Er möchte, dass wir ihm glauben und vertrauen. Deshalb damals diese Zeichen: Das Wasser, das zu Wein wird auf der Hochzeit. Das zeigt: Jesus kann unserem Mangel abhelfen. Die Speisung der 5000. Sie zeigt: Wir brauchen Jesus wie das Brot zum Leben. Die Heilung des Blindgeborenen. Die zeigt: Jesus kann auch die Augen unseres Herzens heilen, so dass wir ihn mehr und mehr erkennen und ihm vertrauen. Es sind Wunder mit einer Botschaft …
Hätte Jesus schlagende Beweise erbracht, dass er Gottes Sohn ist, dann hätten wir nicht mehr die Freiheit, an ihn zu glauben. Wir wüssten es mit 100-prozentiger Sicherheit. Er gibt nur die Indizien: Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein. Daran sollte der Retter erkennbar sein.
Jesus will uns nicht versichern; er will, dass wir ihm glauben; dass wir ihm begegnen und vertrauen. Deshalb gibt es nur einen Weg für ihn: Nicht den Weg der Schauwunder. Sondern den Weg, der ihn ans Kreuz führt. Es ist der Weg seiner Liebe. Er rettet nicht sich, er gibt sich hin für uns. Er überzeugt nicht den Herodes. Er erträgt seinen Spott für uns. Er macht die Gelehrten seiner Zeit nicht mundtot. Er bietet auch ihnen an, ihm zu glauben. Er möchte nicht ihren Verstand gewinnen, sondern ihr Herz.
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