Was sollte der leidende Gottesknecht aus Jesaja 53 sehen: Lust, Frucht oder Licht? Oder sollte er nur etwas von der Arbeit seiner Seele sehen und befriedigt sein? Was ist die richtige Übersetzung?
In der Weissagung über den sogenannten „leidenden Gottesknecht“, der bereits in der aramäischen Übersetzung mit dem Messias (hebräisch = „dem Gesalbten“) verbunden wird und nach dem Zeugnis des Neuen Testaments Jesus Christus selber ist (Christus ist die griechische Übersetzung des hebräischen Wortes „Messias“ = der Gesalbte), beginnt Vers 11 im masoretischen Text mit den Worten, welche so übersetzt wurden:
„Darum, daß seine Seele gearbeitet hat, wird er seine Lust sehen und die Fülle haben“ (Luther 1912) „An der Arbeit seiner Seele wird er sich satt sehen“ (Schlachter 1951) „Nachdem seine Seele Mühsal erlitten hat, wird er seine Lust sehen und die Fülle haben“ (Schlachter 2000). „Von der Mühsal seiner Seele wird er Frucht sehen und sich sättigen“ (Elberfelder 1905). „Um der Mühsal seiner Seele willen wird er Frucht sehen“ (Revidierte Elberfelder) und die bekannte King James Version 1611 übersetzt: „Er soll etwas von der Arbeit seiner Seele sehen und befriedigt sein“. Die wörtliche Übersetzung des masoretischen Textes lautet: „Von der Mühsal seiner Seele soll er sehen, er soll satt werden“.
Doch die Septuaginta, die vorchristliche griechische Übersetzung des Alten Testaments, hat hier das Wort „Licht“ als Subjekt des ersten Satzes stehen. Man hat daher vermutet, dass der hebräische Text ursprünglich auch dieses Wort hatte. Kritische Ausgaben der hebräischen Bibel haben deshalb an dieser Stelle eine Fußnote, die angibt, dass die ursprüngliche Lesart wohl so gelautet hat: „Von (oder ‚nach‘) der Mühsal seiner Seele wird er Licht sehen, er wird befriedigt sein.“
Auch dies ist zugleich eine Antwort auf die Frage, die man sich beim Lesen des masoretischen Textes eigentlich auch stellt, was er denn sehen soll? Diese Frage wurde bei den oben genannten früheren Übersetzungen so beantwortet, dass Luther 1912 dafür „seine Lust“ einfügt und die Elberfelder 1905 „Frucht“. Die Schlachter-Bibel 1951 bezieht das „satt werden“ auf das „sehen“ und übersetzt daher: „... sich satt sehen“. Doch interessanterweise haben beide (!) Jesajarollen vom Toten Meer „Licht“ als Bezugspunkt in ihren Texten stehen, wie man es auf Grund der griechischen Übersetzung schon lange vermutete. Die Jesajarollen bestätigten diese Vermutung. Die Übersetzung nach beiden Jesajarollen lautet daher:
„Durch die Mühe seiner Seele wird er Licht sehen und sich sättigen“ oder „nach (weg von) der Mühsal seiner Seele wird er Licht sehen und sich sättigen“.
Aber von wem wird hier gesprochen? Ist hier davon die Rede, dass der „leidende Gottesknecht“, den die neutestamentlichen Zeugen als in Jesus Christus erschienen ansehen, stirbt und auferstehen wird (Licht sehen)? Eigentlich kann man diese Stelle nur so verstehen: In Vers 8 heißt es, dass der Gottesknecht „vom Land der Lebendigen abgeschnitten wurde“ (= starb) und Vers 9 wird uns berichtet: „Und man gab ihm bei Gottlosen sein Grab...“ (= beerdigen). So bedeutet das „Licht sehen“ nach Tod und Beerdigung die angekündigte Auferstehung des Gottesknechtes.
Hoffnung für Alle übersetzt hier sehr gut und anschaulich: „Wenn er dieses schwere Leid durchgestanden hat, sieht er wieder das Licht und wird für sein Leiden belohnt“ und die Luther 2017: „Weil seine Seele sich abgemüht hat, wird er das Licht schauen und die Fülle haben.“ Ausgezeichnet gibt den Sinn die Neue evangelistische Übersetzung von Karl-Heinz Vanheiden wieder: „Nach seiner Seelenqual sieht er das Licht und wird für sein Leiden belohnt“. Hier strahlt einem die österliche Auferstehungsfreude in der messianischen Prophezeiung von Jesaja entgegen!
Alexander Schick, 25980 Westerland/Sylt
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