Ich erwiderte ihm, dass ich gerne auf diese Frage antworten würde, wenn er mir zuerst eine wesentlich leichtere wissenschaftliche Frage beantworten könne. Er war einverstanden.
„Was ist Bewusstsein?“, fragte ich ihn. Er zögerte etwas, dann antwortete er: „Das weiß ich nicht.“ „Gut, sagte ich nehmen wir etwas anderes. Was ist Energie?“
„Also“, sagte er, „wir können sie messen und die Gleichungen aufschreiben, die ihre Erhaltung regeln.“
„Das weiß ich, aber das war nicht meine Frage, meine Frage war: Was ist Energie?“
Er grinste. „Das wissen wir nicht. Aber das ist ihnen wohl klar.“
„Jawohl, auch ich habe meinen Feynman[2] gelesen, und der sagt, dass niemand weiß, was Energie ist. Und damit komme ich zur Hauptsache: Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie gerade im Begriff standen, mich (und meinen Glauben an Gott) für irrelevant zu erklären, falls ich Ihnen nicht erklären kann, warum Jesus Christus gleichzeitig Mensch und Gott ist?“
Er grinste wieder und schwieg. Ich fuhr fort: „Drehen wir den Spieß um. Wäre es für sie in Ordnung, wenn ich Sie und all ihr physikalisches Wissen für irrelevant erklärte, weil Sie mir nicht erklären können, was Energie ist? Und Energie ist ja wohl per Definition um einiges weniger komplex als der Gott, der sie erschaffen hat, oder?“
„Nein, tun Sie das bitte nicht!“ sagte er.
„Keine Angst, ich werde es nicht tun, aber ich möchte Ihnen noch eine Frage stellen: Warum glauben Sie an die Begriffe Bewusstsein und Energie, obwohl Sie sie nicht vollständig verstehen? Liegt das nicht an der Erklärungskraft, die diese beiden Begriffe haben?“
„Ich verstehe, worauf Sie hinaus wollen“, erwiderte er. „Sie glauben, dass Jesus Christus Gott und Mensch war, weil dieses das Einzige ist, was das, was wir über ihn wissen, befriedigend erklären kann?“
„Ganz genau.“
Gefunden in John C. Lennox: Gegen den Strom. Von Daniel lernen, unangepasst zu leben. Dillenburg 2022, S. 35f.
[1] John C. Lennox, emeritierter Professor für Mathematik und Philosophie der Wissenschaft.
[2] Richard Feynman, amerikanischer Physiker und Nobelpreisträger des Jahres 1965.
Zum einen hat er mich - wie bestimmt auch viele andere Christen, die ihn gelesen haben - zum Schmunzeln gebracht hat, bei all der enthaltenen tieferen Wahrheit in diesem Wortwechsel.
Insbesondere aber hat mich der vorletzte Absatz angesprochen - auch wenn ich ihn erst ein paar Mal lesen mußte, bis ich ihn inhaltlich erfaßt hatte. (Vielleicht aber auch gerade, weil er beim ersten Lesen nicht gleich erfaßbar war...)
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