Hardmeier, Roland. Glaube, der trägt, wenn alles im Fluss ist. Evangelikale zwischen fundamentalistisch und postevangelikal. Gießen: Brunnen Verlag 2024. 330 S. Paperback: 25,00 €. ISBN: 978-3-7655-2189-8

Der Autor, Jg. 1965, war von 1995-2010 Pastor im Bund der Freien evangelischen Gemeinden der Schweiz. Seit 2004 ist er Dozent für Missionstheologie und Evangelikale Theologie und Autor mehrerer Bücher. Er wuchs in einem fundamentalistischen Milieu im Glauben auf, das er im Nachhinein als beengend und rechthaberisch beschreibt. Durch das Studium hat sich sein Glaube verändert, „aber mein Haus des Glaubens steht noch“. (S. 14)

In diesem Buch versucht Hardmeier den Evangelikalen einen Weg zwischen fundamentalistisch und postevangelikal zu zeigen, ohne das Fundament biblischer Lehre aufzugeben. Letzteres ist bei postevangelikalen Christen durchaus der Fall. Der Ausweg des Autors: „Wir Christen sind zusammen mit der Familie ‚Mensch‘ zur Weltgestaltung berufen. Die Welt soll durch uns zu einem Ort voller Leben, Schönheit und Kreativität werden.“ (S. 94) Das Kreuz ist nicht nur der Ort, wo nach urchristlichem Glauben Gott unsere Schuld vergibt, es ist auch der Beginn einer sozialen Revolution. (S. 144)

Allerdings weiß er auch: „Das Christentum ohne das Kreuz wird in der Postmoderne nicht überleben, weil das Entscheidende fehlt.“ (S. 152) „Ohne Fundament predigen wir ein Evangelium in spiritualistischer Verdünnung.“ (S. 43) Der Autor bejaht das Nein der Bibel zu einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft und spricht für ein „vertrauensvolles Lesen der Bibel“. „Gender-Mainstreamig aus christlicher Sicht stellt eine Verletzung von Gottes schöpferischen Absichten dar.“ (S. 206) „Sex außerhalb der exklusiven und auf Lebenszeit angelegten Ehe zwischen Mann und Frau war nie Teil des christlichen Glaubens.“ (S. 276)

Doch: „Fundamentalisten drücken sich vor der Weltverantwortung und ziehen sich in die private Tugendhaftigkeit zurück. Sie sind aufrichtig in ihrem Glauben, aber sie tragen kaum etwas zu einer besseren Welt bei.“ (S.41) Immerhin lehnt er Hölle als Strafgericht Gottes nicht ab. Dies bedeutet für Hardmeier allerdings nur Auslöschung, nicht als ewige Strafe wie es die Schrift sagt (Mt 25,41; Mk 9,43; Offb 20,10 u.a.m.). Hardmeier ist eben überzeugt: „Die Bibel ist der Begrenzung des Menschseins ausgeliefert. Damit ist die Möglichkeit des Irrtums eingeräumt.“ (S.51) Er ist dann frei bestimmte Bibelaussagen wegzulassen und seine Forderung zur Weltgestaltung exegetisch fragwürdig zu begründen, was viel Raum im Buch einnimmt.

Der Autor ist sich bewusst, dass der Zeitgeist einen ungeheuren Einfluss auf die Evangelikalen hat. Er hat recht: „Die Symbiose von Christentum und Kultur ist vorbei. Wir steuern auf eine Diktatur der Toleranz hin. Wer nicht ‚woke‘ ist, wird ausgegrenzt. Als Evangelikale befinden wir uns ab sofort in einer Situation des Exils.“ (S. 257) Trotzdem sieht Hardmeier die Kirche als „sichtbare Manifestation des Königreichs in der gegenwärtigen Zeit.“ (S. 262)  Deshalb „sollen Christen ein Verständnis dafür entwickeln, dass das Evangelium der Ruf ist, einer evangelikalen Gegenkultur beizutreten.“ (S. 237)

Hardmeiers Idee zu einer evangelistischen Weltverbesserung als Mittelweg zwischen fundamentalistisch und postevangelikal ist halt auch nur eine theologische Theorie von zweifelhaftem Wert.

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